Sonntag, 14. Juli 2013

Lieschen ignoriert



Lieschen schüttelt den Kopf und wischt sich mit dem Unterarm die Tränen aus den Augen. Vor Wut hatte sie die Zwiebeln mit dem neuen Messer so malträtiert, dass ihr der beißende Saft mitten in beide Augen gespritzt ist.

Jetzt ärgert sie sich nicht nur über die blöden Kommentare im Radio, sondern auch noch über sich selbst.

Stellungnahmen, Artikelzitate aus der Presse, Meinungen, Interviews … . Was muss sie sich da bereits seit einiger Zeit anhören? Hätte es nicht gereicht, den Tuppes still schweigend anzuzeigen? Hätte man Youtube nicht ohne große Öffentlichkeit, zur Sperrung des Videos veranlassen können? Hätte Youtube das Video nicht selbst entdecken und sperren können? Wird doch offensichtlich eh alles durchleuchtet? Für irgendwas muss das doch gut sein!


Lieschen schaltet das Radio aus, wischt noch mal mit der Schürze über den Knopf des altersschwachen Dings, setzt sich und befiehlt laut und deutlich Beruhigung. Nicht nur sich selbst.
Der lacht sich doch ins Fäustchen. So wie Fritzchen, der Kleine von der Evelin, wenn er wieder blaue Briefe, Mahnungen und Beschimpfungen bekam, die seine Mutter in Verzweiflung und jede Menge Telefonate stürzten, ihm einen Batzen Aufmerksamkeit brachten und niemals irgendeine echte Konsequenz nach sich zogen. Evelin jammert schon seit Jahren: Alle, alle habe ich auf meiner Seite und nichts ändert sich! Der Fritz ist schwer erziehbar. Lange halte ich das nicht mehr aus. Dass sie es ist, die immer weitermacht, übersieht sie. Manchmal denkt Lieschen, sie ist froh darüber in Fritzchen einen Sündenbock und Ablenkung von sich selbst zu haben.



Grete sagt, einfach ignorieren! Recht hat sie. Einfach ignorieren. Lieschen will da mitmachen. Beim Ignorieren. Gesagt, getan. Das Kochen kann warten. Die Schürze kommt über die Stuhllehne und Liese rennt durchs ganze Haus und zieht alle Stecker. Auch die von Hermanns Computern und seinem persönlichen Fernseher. Die Zeitungen schleppt sie in den Ofen. Heute, wenigstens heute macht sie mit beim Ignorieren. Und Hermann natürlich auch.

Lieschen beginnt ein wenig zu tänzeln als sie sich die Kettenreaktion vorstellt an deren Ende das völlige mediale Ignorieren dieses Herrn steht.


Von wem die Liese hier gesprochen hat? Das sagt sie natürlich nicht. Ihre heutige Mission ist ja das Auslösen einer bahnbrechenden Kettenreaktion. Und natürlich die Fertigstellung des Mittagessens.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Herzlichen Dank für Euer Interesse und die den Blog so sehr bereichernden Kommentare!
Beides ist sowohl der Liese als auch mir eine große Freude! :-)))