Als Lieschen gestern verspätet mit wackeligen Knien und
einem leichten Muskelkater im Kiefergelenk im Café ankam, saß die Grete schon
am reservierten Tisch. Stocksteif und blass im Gesicht. So hatte die Liese ihre
Freundin noch nie gesehen. Grete sitzt normalerweise eher entspannt mit rundem
Rücken, ein wenig nach vorne gebeugt. Gestern aber nicht. Manchmal springt die
Grete auch auf, wenn das Lieschen kommt oder sie dreht sich wenigstens in Richtung
Tür, wenn sie eintrifft. Im Normalfall will sie nämlich Lieschens lustige Kleidung
in Gänze und nicht nur im Sitzen betrachten. Gestern aber nicht. Es hat ein
bisschen so gewirkt als freute sich die Grete gar nicht über Lieschens Ankunft.
Natürlich hat das das Lieschen irritiert, aber bevor sie sich einen Kopf
machte, ist sie beherzt zum Tisch gegangen, hat sich zur Grete herunter
gebeugt, sie umarmt und gefragt was los ist.
Damit hat sie eine Art Maschinengewehrsalve provoziert, in
der die Grete geschätzte 100.000 Wörter in der Minute unterbrachte. „Zumba,
Muskelkater, Mord, Heidi, Berta, Susi, nie wieder, Po, Jogginganzug, Zumbamode,
kostenlos, Dusche“ und immer wieder „niemals wieder“. Dem Lieschen glühten die
Ohren. Sie hatte ja bis dahin noch niemals irgendetwas von Zumba gehört und
überhaupt keine Ahnung, dass es sich um ein Mordwerkzeug für alternde Damen wie
die Grete und sie selbst handeln könnte. Scheint auch gut getarnt zu sein und
in öffentlichen Räumen stattzufinden.
Die Grete hat dem Lieschen verboten über
sie zu lachen. Sie sollte auch nicht sagen, dass eine ganze Stunde Sport für
einen völlig untrainierten Mittefünfzigkörper, der hauptsächlich das Sitzen im
Büro, im Wagen, auf dem Sofa und dem Balkon kennt, vielleicht nicht ganz das Richtige ist. Und
bedauern sollte sie sie auch nicht. Keinesfalls. „Bin ich ja selbst schuld“
sagte die Grete immer wieder. Und natürlich hat sich das Lieschen daran
gehalten. Sie hat nix gesagt und erst mal auch nicht gelacht, obwohl sie sich
dafür enorm zusammenreißen musste.
Sie selbst kam ja gerade vom „Atmen“ und spürte, wie schon
so oft in den letzten Wochen, heraufziehenden Muskelkater in der Hüfte, den
Beinen und dem Kiefer. Als sie das der Grete erzählte, entspannte die ein
wenig, sank unter Stöhnen ein bisschen tiefer in den Stuhl mit dem Kissen und
kämpfte selbst mit dem Lachen. „Du warst beim Atmen? Und davon kriegt man
Muskelkater???“ Die Grete konnte das Lachen dann nicht mehr unterdrücken und das
Lieschen stimmte mit ein. „Warum? Wie? Hä?“ japste die Grete zwischen Stückchen
der mittlerweile eingetroffenen Torte, Lachgluckser und Schlückchen aus der
Riesenkaffeetasse.
Also erzählte die Liese von dem kurzen Besuch der Freundin
aus alter Zeit, die sie mehr als 15 Jahre nicht mehr gesehen hatte und die
fand, dass sie, die Liese, ganz die Alte sei, ABER die Stimme so kratzig und
fremd geworden wäre, dass sie sie kaum erkennen könnte. „Quatsch“ fand die
Grete am Mittwoch und der Hermann damals. Aber das Lieschen selbst wusste
schon, dass die Stimme immer tiefer geworden war und ihr das Sprechen manchmal nicht leicht und das Singen schon lange schwer fiel. Also hat sie sich einen Volkshochschulwochenendkurs mit dem Titel „Atem,
Körper, Stimme“ rausgesucht, sich angemeldet und ist hin marschiert. Die
Seminarleiterin, eine Sängerin, Gesangslehrerin und Atemtherapeutin war
schockiert über Lieschens selten „anspringende“ Stimme, hat aber ihr Möglichstes
getan, Lieschen und die anderen Teilnehmer mit gruseligen und lustigen Körper-
und Atemübungen auf „Tonformungsübungen“ vorzubereiten. Am Ende des Wochenendes
hatte die Liese einen ähnlich schlimmen Muskelkater wie die Grete am Mittwoch
und wahrscheinlich heute auch noch. Aber sie konnte bereits lustige Töne
formen, die dem Klang eines Didgeridoos sehr
ähnlich waren und sie hatte das ganze Wochenende über so viel Spaß, dass sie
beschloss, die Dame regelmäßig für ein Stündchen aufzusuchen.
Das hatte das
Lieschen der Grete bis jetzt noch nicht erzählt, weil sie vermutete, dass die
Grete das für Quatsch halten würde. Und so war das gestern alles neu für die
Grete. Und was hat die sich amüsiert als das Lieschen ihr von ihrem
Wackelbrett, den Noppenbällchen, dem Tönen mit Hüftübungen, dem „Kauen eines „Ws“
oder „Ms“ und lauter solchen Sachen erzählte. Und dass sie seit ein paar Wochen
regelmäßig übt und trotzdem nach den Stunden bei der Gesangslehrerin, die ihr nur das Tönen beibringen
soll, leichten Muskelkater hat.
Natürlich hat die Grete gelacht, aber nicht
ÜBER die Liese speziell, sondern irgendwie aus Freude und ein bisschen über sie
beide. Mitte Fünfzig und die großen Ausprobriererinnen vor dem Herrn.
Gestern waren die beiden nicht so oft zum Rauchen vor der
Tür wie an einem gewöhnlichen Mittwoch. Den Lungen hat dieser Umstand
vermutlich ebenso gefallen wie der Grete und der Liese der gemeinsame Mittwoch.
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Herrlich! Ihr zwei!
AntwortenLöschenIch konnte mir das Lachen nicht verkneifen, werde aber bestimmt bald auch mit furchtbarsten Muskelkater gestraft - mein Körper weiß wahrscheinlich gar nicht mehr, was Ausdauersport ist...
Liebe Grüße! Petra
Lieschen, wer hätte das gedacht. Muskelkater von Atemübungen. aber wied em auch sei - nicht gerade zum Lachen. Hoffentlich hilft es.
AntwortenLöschenAber das mit dem weniger Rauchen vor der Tür - das gefällt mir !
Deshalbe, macht weiter, ihr Beiden.
Einen schönen Abend wünscht dir
Irmi
Atmen - ich habe es beim Yoga versucht, immer wenn wir einatmen sollten, wollte ich ausatmen und umgekehrt, es war eine Qual und ich habe es aufgegeben. Warum ist das immer so schwierig. Schön wenn Lieschen Grete versteht und selber auch ein wenig leidet.
AntwortenLöschenHallo Brigitta,
AntwortenLöschenda muss ich auch schmunzeln, dass es solch einen Kurs "Atem, Körper, Stimme" gibt. Das kenne ich beim Joggen so (bin aber seit 3 Jahren nicht mehr gejoogt), dass eine richtige Atemtechnik wichtig für eine optimale Ausdauer ist.
Gruß Dieter